Unzureichende Nutzung des “Bau-Turbos“ befürchtet.

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Teilnehmer der Podiumsdiskussion "Wohnungsmärkte: Aufschwung mit Turbo?" (von links): Stefan Dahlmanns, Geschäftsführer des Projektwicklers nyoo by Instone, Axel Gedaschko, Präsident des GdW Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, Lars von Lackum, Vorstandsvorsitzender des börsennotierten Wohnungsunternehmens LEG Immobilien, Stefan Evers, Finanzsenator und Bürgermeister von Berlin, Dr. Wulff Aengevelt, geschäftsführender Gesellschafter Aengevelt Immobilien. Außerdem rechts im Bild Magdalena Kolak, Aengevelt Research, die den Impulsvortrag hielt.

Aengevelt befürchtet unzureichende Nutzung des “Bau-Turbos“.

Am 9. Oktober hat der Bundestag in zweiter und dritter Lesung den “Bau-Turbo“, also den neuen Paragraphen § 246e des Baugesetzbuches (BauGB), als Teil eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung beschlossen. Das Gesetz wird nun dem Bundesrat zugeleitet, der nach aktueller Experten-Einschätzung indessen nicht zustimmungspflichtig ist, und soll Anfang 2026 – befristet bis zum 31.12.2030 – in Kraft treten. Was das für Kommunen, Wohnungsunternehmen und die Bauwirtschaft bedeutet, erläutert in der nächsten Woche die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen Verena Hubertz in einem Live-Webinar.

Nach Einschätzung von DIP-Partner Aengevelt Immobilien ist der Bau-Turbo, der insbesondere die Genehmigung von Wohnungsneubau durch Vereinfachung und Ausnahmeregelungen beschleunigen soll, ein erster richtiger Schritt, der allerdings den Wohnungsmangel allein nicht beseitigen wird bzw. kann, sofern er überhaupt konsequent Anwendung in den Kommunen finden wird.

Das wurde auch bei einer von Aengevelt auf der EXPO REAL veranstalteten und hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion mit dem Titel “Wohnungsmärkte: Aufschwung mit Turbo?“ deutlich. Zum einen wurde angezweifelt, dass die Kommunen die Optionen, die ihnen die Novelle des Baugesetzbuchs gibt, auch beherzt nutzen werden. Als weitere Hürden wurde z.B. die mangelnde Synchronisation der unterschiedlichen, jeweils beteiligten Genehmigungsbehörden vom Grünflächenamt über das Verkehrsmanagement bis zum Denkmalschutz genannt sowie das aktuell (zu) hohe Baukostenniveau.

Zum YouTube-Stream der kompletten Podiumsdiskussion.

Für Dr. Wulff Aengevelt ist der Bau-Turbo ein sinnvoller Anfang, gleichzeitig schränkte er ein: „Aber was ist, wenn die Bauaufsicht zwar mitzieht, aber durch andere beteiligte Behörden ausgebremst wird? Wir brauchen deshalb auch eine Synchronisierung der Behörden und Träger öffentlicher Belange bei Planungs- und Genehmigungsverfahren. Der Bau-Turbo bleibt zudem wirkungsrelativiert, wenn nicht auch Rechtsmittel verschlankt und die Missbrauchsmöglichkeiten durch rein geldorientierte Einsprecher und ideologieorientierte Bürgerinitiativen eingeschränkt werden.“

Stefan Evers, der an dem in Berlin bereits im Dezember letzten Jahres in Kraft getretenen sogenannten “Schneller-Bauen-Gesetz“ mitgewirkt hat, maß dem Thema Synchronisation ebenfalls große Bedeutung bei: „Das, was noch wichtiger ist als das Schneller-Bauen-Gesetz, ist die sogenannte Berliner Verwaltungsreform, also der Umstand, dass wir jetzt in dem Vielvölkerstaat, der wir sind, das Behörden-Pingpong und den Zuständigkeits-Wirrwarr insofern neu ordnen, damit wir (…) zum Anfang kommenden Jahres in eine Lage versetzt werden, die es uns in der Nähe einer Fachaufsicht ermöglicht, auch zentraler zu steuern. Das wird für Berlin mindestens so wichtig sein, wenn nicht noch deutlich wichtiger, als das Schneller-Bauen-Gesetz, das übrigens vor allem dem Namen nach ein Schneller-Genehmigen-Gesetz wäre, denn oft genug ist der Geist dieses Gesetzes noch nicht in den Amtsstuben angekommen.“ Damit sprach Evers die Problematik einer tatsächlichen Anwendung solcher Regelungen an.

Auch Stefan Dahlmanns zweifelte daran, dass der Bau-Turbo tatsächlich zu einer Beschleunigung der Verfahren führt. Zwar sind für ihn Planungssicherheit auf mehreren Ebenen und konzeptionelle Handlungsspielräume im Hinblick auf die Planungsrechtschaffung und natürlich auch eine Verfahrensbeschleunigung notwendig, „um den Hebel umzulegen im Wohnungsbau“. Dass der Bund hier die Verantwortung auf die Ebene der Kommunen verlagert, hält Dahlmanns indessen für problematisch: „Das heißt ja dann auch, dass auf Sachbearbeitungsebene auf einmal entschieden werden muss – und zwar in kürzester Zeit – dass z.B. ein Wohnungsbauvorhaben mit 150 Wohnungen neben einer Spedition auf einmal doch wieder genehmigungsfähig ist, was in der Vergangenheit nicht genehmigungsfähig war. (…) Wer soll das auf Ebene der Verwaltung entscheiden?“   

Lars von Lackum konnte sich ebenfalls nicht vorstellen, dass jemand durch eine „solch mutige Entscheidung“ ein rechtliches Risiko eingeht und – salopp formuliert – seine Pension aufs Spiel setzt. 

Stimmen aus den Kommunen lassen es ebenfalls zweifelhaft erscheinen, ob die mit dem Bau-Turbo gegebenen Möglichkeiten auf breiter kommunaler Front genutzt werden. So hatte Bernd Düsterdiek, Beigeordneter beim Deutschen Städte- und Gemeindebund, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland bereits gesagt, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen müsse. Auch Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, betonte, dass die verkürzte Zustimmungsfrist von drei Monaten (im Entwurf der Bundesregierung waren noch zwei Monate vorgesehen) nicht bei allen Vorhaben und an jedem Standort angemessen sei. Angesichts solcher Aussagen ist zu befürchten, dass viele Kommunen lieber alles beim Alten lassen wollen, als die neuen Möglichkeiten zu nutzen und auszuschöpfen.

Weiterer “Hemmschuh“ für einen anziehenden Wohnungsneubau: Die hohen Herstellkosten aufgrund regulativer Vorschriften von Bund, Ländern und Kommunen reichen angesichts erzielbarer bzw. gesetzlich zulässiger Mieten nicht mehr aus, eine Wirtschaftlichkeit und sinnvolle Rendite zu erreichen. Die LEG, mit rund 172.000 Wohneinheiten eines der größten deutschen Wohnungsunternehmen, habe deshalb, so Lars von Lackum, 2022 beschlossen, den Wohnungsneubau komplett einzustellen und daran habe sich nichts geändert.

Auch Axel Gedaschko sagte, dass 70 Prozent der GdW-Unternehmen nicht mehr bauen würden, und verwies in diesem Zusammenhang auf notwendige Senkungen der Baukosten. Als wirkungsvolle Instrumente nannte er dabei den “Hamburger Standard“, also effizient bauen, mit weniger Normen, niedrigeren Kosten, rechtlich abgesichert durch den Bund, und den “Schleswig-Holstein-Standard“. Seine Beobachtung dazu: „Die staatliche Förderung in Deutschland ist in der Regel bisher so gewesen, dass wir etwas gefördert haben, was besonders teuer war, und was am Ende deshalb auch (…) in der Wirkung für den Kunden, für die Miete, trotzdem letztlich unbezahlbar war. (…) Wer es richtig macht, ist Schleswig-Holstein: Um bezahlbaren Wohnraum hinzubekommen, wird nur noch der sogenannte Regel-Standard gefördert, also das absolute Minimum. (…) Und da funktioniert es dann auf einmal.“

Fazit:
Die Einführung des Bau-Turbos ist ein erster richtiger und wichtiger Schritt für die nachhaltige Belebung des Wohnungsneubaus, dem indessen weitere Maßnahmen folgen müssen. Dabei war sich die Diskussionsrunde einig, dass es grundsätzlich möglich ist, den Wohnungsneubau zu beschleunigen und auch kostengünstiger zu realisieren. Dazu müssen aber alle Seiten ihre Konzepte, Ziele, Handlungen etc. kritisch, ideologiebefreit und zugleich konstruktiv hinterfragen und neu justieren. Eins müssen dabei alle sein: mutig! 

Thomas Glodek

Leiter Öffentlichkeitsarbeit