Klimaschutz durch innovative Fassaden.

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Visualisierung des von Aengevelt in Düsseldorf geplanten Bürohochhauses “TWIST“ mit einer teilbegrünten und mit Photovoltaik-Elementen ausgestatteten Fassade.

Visualisierung des von Aengevelt in Düsseldorf geplanten Bürohochhauses “TWIST“ mit einer teilbegrünten und mit Photovoltaik-Elementen ausgestatteten Fassade. © kadawittfeldarchitektur

Klimaschutz durch innovative Fassaden.


Vor dem Hintergrund der komplexen Entwicklung am deutschen Immobilienmarkt untersucht DIP-Partner Aengevelt Immobilien das Potenzial innovativer Fassaden für den Klimaschutz. Bisher hatte sich der Klimaschutz – auch bei gesetzlichen Anforderungen – hauptsächlich auf die Dämmung und die Wärmeerzeugung fokussiert, was aber in vielen Fällen unwirtschaftlich oder technisch nicht bzw. oft nur unzureichend attraktiv machbar ist oder durch die Notwendigkeit zur Kühlung im Sommer konterkariert wird. Tatsächlich bieten innovative Fassadentechnologien, die sowohl im Neubau als auch in Bestandsgebäuden realisiert werden können, erhebliche CO2-Minderungspotenziale.


Der Gebäudesektor ist mit rund 30 % der größte Verursacher von CO2-Emissionen in Deutschland. Bis 2030 sollen die Emissionen in diesem Bereich um 65 % im Vergleich zu 1990 sinken und bis 2045 soll der Gebäudesektor nach den bisherigen gesetzlichen Vorgaben klimaneutral sein. Allerdings schreitet die Reduzierung der Emissionen im Gebäudesektor nur zu langsam voran, so dass es zurzeit als unwahrscheinlich erscheint, dass die angestrebten Klimaschutzziele erreicht werden können.

Die bisherige Klimaschutzpolitik hat für den Gebäudesektor im Wesentlichen auf zwei Maßnahmen gesetzt: Die Umstellung der Heizungen auf klimaneutrale Energien wie Solarenergie, Wärmepumpen oder Fernwärme und auf verbesserte Dämmung. Die Dämmung ist jedoch häufig bei der Altbausanierung unwirtschaftlich und bei bestimmten Fassadengeometrien nicht realisierbar. Zudem wirkt sich die Dämmung negativ auf den sommerlichen Wärmeschutz aus, weil sie die Nachtabkühlung einschränkt oder verhindert und somit einen erhöhten Energieaufwand für die Raumkühlung erfordert.

Smarte Fassaden durch technische Innovationen.

 

Fassadenfarbe.
Technische Innovationen ermöglichen inzwischen jedoch smarte Fassaden, um den Energieaufwand für die Kühlung im Sommer und die Heizung im Winter zu reduzieren. So ist an der Purdue University in Indiana, USA, eine ultraweiße Fassadenfarbe entwickelt worden, die 98,1 % des Sonnenlichts reflektiert, während konventionelle weiße Farben lediglich 80 % bis 90 % Reduktion erreichen. Dadurch kann der sommerliche Wärmeeintrag um 4,5 bis 10,6 Grad gesenkt werden, was den Verzicht energieintensiver Klimatisierung ermöglicht. Bei einer Dachfläche von 1.000 Quadratfuß (rd. 93 m²) können so 10 kW Klimatisierung eingespart werden. Die ultraweiße Farbe wird mit Bariumsulfat hergestellt, einem in der Natur vorkommenden Mineral, das bereits seit langem als Pigment, Röntgenkontrastmittel und bei der Papier- und Kunststoffherstellung verwendet wird.

Der US-amerikanische Erfinder Joe Doucet ging noch weiter, indem er eine Fassadenfarbe entwickelte, die mit der Außentemperatur changiert, von Dunkelgrau bei niedrigen Temperaturen zu Hellgrau bei hohen Temperaturen. Damit kann die Fassade bei kühlen Temperaturen (unter 16° C) die Sonnenwärme absorbieren, während sie bei hohen Temperaturen (über 26° C) reflektiert wird. Dadurch können die Energiekosten für Heizung und Kühlung beachtlich um 15 % bis 30 % gesenkt werden. Die Farbe verwendet thermochrome Flüssigkeitskristalle aus einer organischen Chemikalie, die auch in der Kosmetik verwendet wird.

Elektrisch gesteuerte Flüssigkeitskristalle.
Flüssigkeitskristalle werden auch für elektrochromes Glas des französischen Herstellers Saint-Gobain verwendet, dessen Absorptionsfähigkeit verändert werden kann, um den Wärmeeintrag an die Witterungsbedingungen anzupassen. Dies erfolgt durch eine einfache elektrische Steuerung, die auch mit Hilfe von Sensoren automatisiert werden kann.

Adaptive, KI-gesteuerte Fassade.
Schließlich wurde an der Universität Stuttgart die adaptive Fassade FlectoLine entwickelt, bei der bewegliche, KI-gesteuerte faserverstärkte Kunststoffplatten mit integrierten Photovoltaik-Elementen Sonneneinstrahlung, Belüftung und Wärmeleistung regulieren. So kann bei kühlen Temperaturen die Sonnenwärme genutzt werden, die bei hohen Temperaturen vom Gebäude ferngehalten wird. Zugleich wird Solarstrom erzeugt.

Begrünte Fassaden.
Begrünte Fassaden gleichen ebenfalls Temperaturschwankungen aus und fungieren sogar als CO2-Senken, weil sie Kohlendioxid aus der Luft verarbeiten. Für die Begrünung stehen unterschiedliche Technologien zur Verfügung, darunter vertikale Bepflanzung, Pflanzkästen und Bepflanzung auskragender Balkone. Photobioreaktive Fassadenelemente mit Mikroalgen stellen eine platzsparende Möglichkeit dar, kohlenstoffnegative Fassaden zu realisieren. Alternativ zur Begrünung können auch CO2-absorbierende Materialien eingesetzt werden, wie karbonisierter Beton, modifizierte Holzprodukte oder CO2-responsive Polymere.

Porträtfoto von Dr. Wulff Aengevelt, geschäftsführender Gesellschafter Aengevelt Immobilien

Dr. Wulff Aengevelt, geschäftsführender Gesellschafter des DIP-Partners Aengevelt Immobilien: „Die deutsche Klimaschutzpolitik leidet darunter, dass die Politik bislang dazu neigt, sich auf bestehende Instrumente zu fixieren, anstatt technologieoffen zu sein. Statt der (zu) einseitigen Fokussierung auf Dämmung und Heizung können im Gebäudesektor smarte, im günstigsten Fall sogar CO2-negative Fassaden oft besser dazu beitragen, die Klimaziele zu erreichen.“

Thomas Glodek

Leiter Öffentlichkeitsarbeit